SHARED MOBILITY – Wer jetzt die Mobility-Party verlässt, verpasst den besten Teil

Munich, Juli 2020

SHARED MOBILITY – Wer jetzt die Mobility-Party verlässt, verpasst den besten Teil

Munich/Detroit, Juli 2020
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er jetzt die Party verlässt, verpasst den besten Teil.

  • Schon vor der Covid-19-Pandemie begannen viele OEMs, sich aus ihren Shared Mobility-Aktivitäten zurückzuziehen.
  • Es wird zwar noch einige Zeit dauern, bis sich die weltweite Nachfrage nach urbaner und damit auch der Shared Mobility wieder erholt, sie bleibt jedoch ein entscheidendes Mittel bei der Bekämpfung der sich verschärfenden Verkehrsprobleme.
  • Nur die Zusammenarbeit mit Städten und den bestehenden Anbietern wird nachhaltig tragfähig sein – öffentlich-private Partnerschaften werden eine wichtige Rolle dabei spielen, die Shared Mobility in der „prä-autonomen Welt“ wirtschaftlich tragfähig zu machen. Diese müssen jedoch adäquat ausgestaltet sein.
  • Automobilhersteller sind gut beraten, Know-how, Technologie und Marktzugang, die sie sich im Zuge ihrer Mobilitätsangebote aufgebaut haben, zu erhalten und nicht einer kurzfristigen Bilanzmaniküre zu opfern.

 

Angst vor Ansteckung bei der Nutzung von Shared Mobility lässt während der Pandemie das Interesse am eigenen Auto wachsen.
Seit dem Ausbruch von COVID-19 im Januar dieses Jahres ist die Weltwirtschaft auf den Kopf gestellt worden. Die Lockdown-Maßnahmen, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, Homeoffice-Zwang und Schulschließungen hatten auch einen massiven Rückgang der Mobilitätsnachfrage zur Folge.
Während hiervon alle Verkehrsträger betroffen waren, traf es die öffentlichen Mobilitätsangebote besonders hart. Busse, Straßenbahnen und Züge sind so leer wie nie zuvor, und die öffentlichen Verkehrsbetriebe berichten von einem Rückgang der Fahrgastzahlen um bis zu 90% in der Hochphase des Lockdowns. Die Kunden fühlten sich in ihrem eigenen Auto einfach sicherer: eine von Berylls kürzlich unter deutschen, amerikanischen und chinesischen Shared Mobility-Nutzern durchgeführte Umfrage bestätigt, dass zwischen 60% und 80% der Befragten aus Angst vor Ansteckung künftig vermehrt mit ihrem eigenen Auto fahren wollen. Zwischen 20% und 40% der Shared-Mobility-Nutzer, die derzeit kein Auto besitzen, ziehen angesichts der Krise sogar einen Fahrzeugkauf in Erwägung. Vor allem in China wird der Wunsch nach einem eigenen Auto geäußert. 47% aller Befragten planen, in den kommenden Monaten weniger öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen als vor COVID-19.

 

Langfristige Perspektive: Shared Mobility wird wichtiger.
Betrachtet man jedoch die Daten aus der Zeit nach dem Lockdown, wird deutlich, wie wichtig einige Shared Mobility Dienste mittlerweile für die tägliche Mobilität geworden sind. Chinas DiDi Chuxing ist bereits Anfang Juni wieder zum Auftragsvolumen von vor COVID-19 zurückgekehrt. UBER und Lyft befinden sich fast wieder auf dem Stand der Marktbewertungen von Anfang 2020 und damit nahe einem Allzeithoch.
Parallel zur Nutzung der Mobility Services steigt jedoch auch das übrige Verkehrsaufkommen und die sich ständig verschärfenden Stauprobleme kehren zurück. Vor allem der Pendlerverkehr aus den schnell wachsenden Vorstädten in die Innenstädte wächst mit großer Geschwindigkeit. Hinzu kommt, dass eine alternde, aber mobile Bevölkerung und ein zunehmender Fokus der Öffentlichkeit auf Nachhaltigkeit die Kommunen und Behörden unter Druck setzen, praktikable Transportalternativen zum privaten Auto zu entwickeln. Dr. Matthias Kempf, Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Um ein attraktives, gut funktionierendes Mobilitäts-Ökosystem zu schaffen, bieten neue On-demand-Mobility Services die perfekte Ergänzung, wenn sie als eine stimmige Ergänzung zu den bestehenden öffentlichen Verkehrsträgern begriffen werden.“

 

Die Zeit für einen Wandel ist günstig.
Kommunen sollten jetzt die Initiative ergreifen, um nachhaltige Erweiterungen ihres Verkehrskonzepts im Hinblick auf alternative Mobilitätslösungen vorzubereiten und den motorisierten Individualverkehr in den Innenstädten zu beherrschen – und sie tun dies bereits, wie zahlreiche Beispiele europäischer Großstädte zeigen. „Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen: keine größere Stadt kommt mehr darum herum, einen 10- oder 15-Jahres-Plan zur drastischen Reduktion des Privat-PKW-Aufkommens in Innenstädten vorzulegen“, meint Matthias Kempf. Folglich werden sich die OEMs etwas einfallen lassen müssen, um für städtische Kunden relevant zu bleiben. Der Rückzug aus der Shared Mobility ist hier nicht die richtige Entscheidung. Selbst wenn profitable Geschäftsmodelle mit Shared Services bisher schwer zu realisieren sind, ist der Wert der Option, an der zukünftigen Wertentwicklung zu partizipieren, den Aufwand allemal wert – zumal es andere Wege gibt. Dr. Matthias Kempf: „Die Lösung sind Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und den Mobilitätsanbietern. Die Zeit dafür ist günstig, denn die Städte haben die Vorteile erkannt, die sich aus der Koexistenz von traditionellen öffentlichen Verkehrsmitteln und neuen Formen der Shared Mobility ergeben. Mobilitätsanbieter können dabei ihr Geschäft in der Regel kostendeckend betreiben. Nutznießer dieser Partnerschaften werden diejenigen Anbieter sein, die maßgeschneiderte Lösungen in enger Abstimmung mit städtischer Politik und Regulierung bereitstellen – insbesondere einige Micromobility-Anbieter machen vor, wie das gelingt.

 

Eine gemeinsame Mobilitätsvision ist die Lösung für die OEMs.
Angesichts des aktuellen Kostendrucks laufen die Automobilhersteller Gefahr, in dieser Entwicklung nicht den Anschluss zu verlieren und ihre bereits aufgebaute Position aufs Spiel zu setzen. Einige Mobility Services wurden bereits eingestellt oder zurückgefahren. Dabei haben die Hersteller durch das Engagement im Bereich der Shared Mobility in den letzten Jahren viele neue Kompetenzen aufgebaut, starke Technik-Teams etabliert und neue, junge städtische Kunden erreicht, und damit genau jene Personen angesprochen, die den traditionellen Autobesitz vielfach meiden. Das Segment der regelmäßigen Nutzer der neuen Mobilitätsangebote wird in den kommenden Jahren wachsen und das Sprungbrett für in Zukunft – vermutlich – autonome Transportlösungen bilden. Daher wäre es kurzsichtig, das etablierte Mobilitäts- Know-how einer kurzfristigen Bilanzmaniküre zu opfern – insbesondere, weil der Einspareffekt im Kontext der Kostenstrukturen im automobilen Kerngeschäft verschwindend gering ist. Dr. Matthias Kempf: “Wir gehen davon aus, dass wir am Ende des Jahrzehnts in den heutigen Automobil-Kernmärkten ‘Peak Car’ erreichen werden. Danach werden die OEMs die Auswirkungen der Shared Mobility zu spüren bekommen”. Die OEMs wären daher gut beraten, eine ganzheitliche, nachhaltige Mobilitätsstrategie zu entwickeln und konsequent zu verfolgen. So vergrößern sie ihre Chance, für die Anforderungen ihrer Kunden in den kommenden Jahren gerüstet und weiterhin relevant zu sein.
Berylls Insight
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Autor
DR. Matthias Kempf

Partner

Dr. Matthias Kempf

Dr. Matthias Kempf (1974) was one of the founding partners of Berylls Strategy Advisors in August 2011. He began his career with Mercer Management Consulting in Munich, Germany, in 2000. After earning his doctorate degree and further consulting work at Oliver Wyman (formerly Mercer Management Consulting), he joined the management of Hilti Germany in 2008. At Berylls, his area of expertise is new mobility services and traffic concepts. In addition, he is an expert in developing and implementing new digital business models, and in the digitalization of sales and after sales.

Industrial engineering and management studies at the University of Karlsruhe, Germany, doctorate degree at Ludwig Maximilian University, Munich, Germany.