Pressemitteilung
TARKE RÜCKGÄNGE BEI UMSÄTZEN UND MARGEN: CHINESISCHE ZULIEFERER GEWINNEN STARK AN BEDEUTUNG
München, 30. Juli 2021 – Bereits im zehnten Jahr in Folge hat Berylls Strategy Advisors die 100 weltweit größten Automobilzulieferer im Rahmen der Top 100-Zuliefererstudie untersucht. Auffällig ist, dass Sondereffekte das Jahr 2020 in der Automobilindustrie geprägt haben – nicht nur Corona drückte dem vergangenen Jahr einen Stempel auf. Erstmals seit der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 müssen sich die meisten der Top 100 Unternehmen nicht etwa um ein schwaches Wachstum sorgen, sondern um spürbare Umsatzrückgänge – lediglich acht Unternehmen konnten ihre Umsätze im Vergleich zum Vorjahr steigern. Außerdem schaffte die Elektromobilität neue Herausforderungen, die die Industrie in bisher ungekanntem Ausmaß verändern werden. Auffällig ist der Vormarsch der chinesischen Zulieferer, der bereits in den vergangenen Jahren begonnen hat. Der Motorenspezialist Weichai Power belegt mit Platz 10 die beste Platzierung, die je ein chinesisches Unternehmen seit Beginn der Studie erreicht hat. Die vergangenen zehn Jahre konnten zudem mit interessanten Entwicklungen aufwarten. So vergrößerte sich die Einstiegshürde, um in das Feld der 100 größten Zulieferer zu gelangen, von 1,6 Milliarden Euro Umsatz um fast 50 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Der Vergleich der Kennwerte aus dem letzten Jahr mit dem Jahr 2009 zeigt, dass die Industrie nach der damaligen Wirtschaftskrise einen neuerlichen Dämpfer hinnehmen muss.
Bosch verteidigt im sechsten Jahr in Folge den ersten Platz in der weltweiten Aufstellung der 100 größten Automobilzulieferer. Zwei weitere deutsche Unternehmen liegen auf den Plätzen 3 (Continental) und 4 (ZF Friedrichshafen). Magna wurde von ZF auf Platz 5 verwiesen, Continental hat den zweiten Platz aus dem Vorjahr an Denso abgegeben. Die Konkurrenten Michelin und Bridgestone haben 2020 nach mehreren Jahren mit sehr ähnlichen Zahlen nun die Plätze getauscht und liegen aktuell auf den Plätzen 8 und 9. Platz 10 belegt mit Weichai Power erstmals ein chinesischer Zulieferer. Berylls Partner und Zuliefererexperte Dr. Jan Dannenberg: „Die Performance des Motorenspezialisten überrascht nur auf den ersten Blick. Sie war zwar selbst im schwierigen Jahr 2020 so gut, dass WeichaiPower zu den ganz wenigen Umsatzgewinnern zählt, was nicht zuletzt auf dessen M&A-Aktivitäten zurückzuführen ist. Tatsächlich ist der chinesische Konzern aber ein guter Bekannter innerhalb der Top 100. 2011, in der ersten Auflage der Zulieferer-Studie, lag Weichai Power zwar noch auf Platz 25, hat allerdings seither eine beeindruckende Entwicklung gezeigt, auch was die Transformation hin zu Themen der Elektromobilität angeht.“ Einige Unternehmen schlugen sich im Krisenjahr besser als andere, was vor allem auf die geographische Lage zurückzuführen ist. Zulieferer mit Sitz und / oder Abnehmern in Asien konnten von der früher wieder anziehenden Wirtschaft in diesen Ländern profitieren, was unter anderem Denso 2020 zur Silbermedaille verhalf.
2020 haben es elf chinesische Zulieferer in die Top 100 geschafft. Neben Weichai Power ist ein weiterer Motorenspezialist, AVIC Auto, aufgestiegen und hat sich in die Mitte der Liste auf Platz 53 vorgeschoben. China stellt außerdem verschiedene Hersteller in den Bereichen Interieur und Infotainment, etwa BHAP (Platz 28), Yanfeng (Platz 29), Joyson (Platz 37), China Fast Gear (Platz 75) und NBHX Group auf Platz 99. Mit Weichai Power, CATL und China Fast Gear kommen drei der fünf Umsatzgewinner 2020 aus China.
Die wachsende Bedeutung der Elektromobilität und weiterer Zukunftstechnologien sind zunehmend Grund für Zulieferer, ihre Strategien anzupassen. BorgWarner verspricht sich durch Akquisitionen, wie die von Delphi Technologies 2020, weiteres Wachstum und will zugleich mehr Entwicklungen im Elektro-Bereich realisieren. LG steigt aus dem Smartphone-Geschäft aus, um sich künftig auf die Wachstumsbereiche Bauteile für Elektrofahrzeuge, vernetzte Geräte und künstliche Intelligenz zu konzentrieren. Der deutsche Technologie-Zulieferer Infineon treibt seine Strategie zur Stärkung des Kerngeschäfts mit Halbleitern und der Erschließung neuer Wachstumsmärkte voran, was unter anderem zur Akquisition des Halbleiterherstellers Cypress im vergangenen Jahr führte.
Das Wachstum im Bereich Elektromobilität traf 2020 auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Automobilzulieferer hatten mit Umsatzrückgängen und Produktionspausen zu kämpfen und kamen zum Großteil um einen Stellenabbau nicht herum. Hersteller im Bereich Elektromobilität, etwa für Batterien oder Halbleiter, sind dagegen weiter auf Wachstumskurs. Hersteller wie CATL suchen derzeit verstärkt nach neuen Mitarbeitern. Und gerade bei Batterien sind europäische OEMs abhängig von asiatischen Herstellern wie CATL, Panasonic, BYD oder LG Chem. Deutschland wird voraussichtlich in den kommenden Jahren zum europäischen Batteriezentrum ausgebaut, um diese Abhängigkeit aufzulösen. Dabei laufen bereits verschiedene Kooperationen mit Batteriespezialisten, sowohl seitens OEMs als auch mit Zulieferern. Bis 2030 sollen in Deutschland bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen werden. Davon können auch deutsche Automobilzulieferer wie Dräxlmaier, Webasto oder Elring Klinger profitieren, die heute bereits als Lieferanten für Batterietechnologie auftreten.
Seit zehn Jahren betrachtet Berylls jährlich die Top 100 der weltweiten Automobilzulieferer. In dieser Zeit hat sich die geographische Verteilung der großen Zulieferer massiv verändert. Dabei gab es klare Verschiebungen in der Wichtigkeit von Zulieferern aus Deutschland, Japan und USA nach Asien. Asiatische Zulieferer (abgesehen von Japan) haben seit 2011 bei starkem Umsatzwachstum deutlich an Profitabilität eingebüßt, sind aber zunehmend in den Top-100 vertreten. Namentlich sind hier die chinesischen Unternehmen zu nennen, die sich in den letzten zehn Jahren von einem auf elf Top 100-Kandidaten gesteigert haben und inzwischen für rund 66 Milliarden Euro Gesamtumsatz stehen.
Zum Zeitpunkt der ersten Berylls-Zuliefererstudie, im Jahr 2011, war die Branche nach der vorangegangenen weltweiten Finanzwirtschaftskrise im Aufschwung. Seitdem konnten die Top 100 Zulieferer Jahr für Jahr ihre Umsätze steigern, von 2011 an (663 Milliarden Euro) bis 2019 (914 Milliarden Euro) um insgesamt 38 Prozent. Auch die Profitabilität der 100 größten Zulieferer verbesserte sich bis 2017 jedes Jahr, lag dabei von 2012 bis 2018 ständig über 7 Prozent. Dr. Jan Dannenberg relativiert die scheinbar durchweg positiven Zahlen: „2020 liegen die Top 100 mit Gesamtumsätzen von knapp Euro 800 Milliarden zwar immer noch 20 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Die Profitabilität hingegen hat ein Allzeittief von lediglich etwa 3 Prozent erreicht – wenngleich im Jahr 2020 zu großen Teilen pandemiebedingt.“
Einige Kennzahlen verdeutlichen die enormen Entwicklungen, die sich innerhalb der zehn Jahre abgespielt haben. Die größten Umsatzgewinner seit 2011 sind ZF Friedrichshafen und Tenneco, die 2020 beide innerhalb der Top 15 zu finden sind. Bosch hat seit dem Jahr 2015 Continental auf Platz 1 abgelöst und verteidigt bislang jedes Jahr diese Position. 2011 bis 2014 lag dagegen Continental auf Platz 1, stets mit geringem Vorsprung vor Bosch. Im Zeitraum 2013 bis 2016 verzeichneten die Top 100-Unternehmen vier gänzlich verlustfreie Jahre.
In das Ranking der Top 100 Automobilzulieferer sind in den vergangenen zehn Jahren einige Unternehmen aufgestiegen, andere sind verschwunden. Ein Teil dieser Veränderungen geht auf M&A-Maßnahmen zurück. Konzerne wie Johnson Controls oder Honeywell haben ihre Automotive-Sektoren abgespalten. Zulieferer TRW, Delphi Technologies, Calsonic, Wabco oder der deutsche Klimaspezialist Behr sind übernommen worden. Den stetigen Umsatzsteigerungen der Top 100 konnten nicht alle Unternehmen folgen; fehlende Größe führte vielfach zum Ausstieg. Der Vergleich von 2020 zu 2011 zeigt die Diskrepanz, schafften es 2011 noch Unternehmen mit einem Jahresumsatz von Euro 1,6 Milliarden in das Ranking, waren dafür 2020 mindestens Euro 2,3 Milliarden nötig. Derartige Umsatzsteigerungen konnten etwa IAC, Rheinmetall Automotive oder Cooper Standard nicht erreichen. Abspaltungen von Unternehmensteilen haben im Laufe der Jahre aber auch zu Neuzugängen geführt, wodurch aktuelle Vertreter der Top 100 wie Aptiv, Adient, Clarios oder Garret Motion entstanden sind. Immer wieder haben es Zulieferer aber auch durch starkes Umsatzwachstum aus eigener Kraft in die Liste der Größten geschafft. Zu diesen Erfolgsunternehmen gehören beispielsweise Flex-N-Gate, der chinesische Batteriehersteller CATL, Piston Group sowie die deutschen Vertreter Aunde, Freudenberg und Infineon, die in der Regel aus dem Mittelstand stammen.