albleitermangel, Rohstoffpreise, Pandemie und Lockdown sind Schlagworte, die uns in den letzten zwei Jahren in Mark und Bein übergegangen und aus unserem Wortschatz – leider – nicht mehr wegzudenken sind.
Dies gilt insbesondere für die Automobilindustrie, welche so stark wie kaum
eine andere Industrie von den jüngsten Krisen betroffen war. Das ist das Hauptthema im Artikel „Halbleiter, Rohstoffe und Pandemie – die Automobilzulieferer kommen nicht zur Ruhe“ von Dr. Alexander Timmer, Dr. Jürgen Simon und Lukas Kirchhefer (Seite 17).
Seit der Finanzkrise galt die Automobilindustrie als sicherer Hafen und war ein Synonym für kontinuierliches Wachstum. Umsatzwachstum und Margen im hohen einstelligen Prozentbereich waren normal und galten als Industriestandard. Fakt ist, dass die Zeiten der Planbarkeit vorerst vorbei sind. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Hersteller und Zulieferer weltweit schneller von der Krise erholt haben als noch vor zwei Jahren gedacht.
Unsere Analyse der weltweit 100 größten Zulieferer zeigt, dass Gewinne und Umsätze wieder auf dem Vorkrisenniveau aus 2019 liegen. Einestolze Leistung, wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass die Umsätze noch vor zwei Jahren infolge der Pandemie um 14 % eingebrochen und die Gewinne auf ein historisches
Tief von 3 % gesunken waren. „Trotz der Aufs und Abs im Jahr 2021 mit Coronakrise im Frühjahr und Chipmangel im Herbst sind die Ergebnisse in Summe positiver ausgefallen, als wir das erwartet hatten“, bewertet mein Kollege Dr. Jan Dannenberg in unserem Doppelinterview (Seite 11) die
jüngste wirtschaftliche Erholung. Zu den klaren Profiteuren gehören die Halbleiterhersteller, mit rekordverdächtigen Margen von bis zu 27 %.
Dies belegt eindrucksvoll: Totgesagte leben länger. Die öffentliche Debatte zur
Zukunftsfähigkeit der Automobilindustrie war in den letzten Jahren maßgeblich geprägt durch fehlende Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle und nicht
zeitgemäße Produkte. Zulieferer wie Hersteller haben jedoch die Zeit in der
Krise wirkungsvoll genutzt und ihre Hausaufgaben gemacht. So riefen sie Kostensenkungsprogramme ins Leben und investierten in die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten. Hier ist aber nur in seltenen Fällen eine Rückverlagerung das Mittel der Wahl. Im Fokus steht neben dem Aufbau von Beständen und Alternativlieferanten auch die digitale Überwachung der Lieferketten. Das beschreibt mein Kollege Ralf Walker im Artikel „Pandemie, Chipmangel und politische Unruhen – kommt jetzt die Rohstoffkrise?“ (Seite 5), der in Zusammenarbeit mit Peter Trögel, Christian Grimmelt und Eren Duygun entstanden ist.
Die Mehrzahl der deutschen Zulieferer haben ihre Strategien überarbeitet, um
die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor sukzessive zu reduzieren. Gleiches
gilt für die Hersteller, die ihre Portfolios schneller und konsequenter auf batterieelektrische Fahrzeuge umstellen. Wir können konstatieren, dass sich die Automobilindustrie nicht nur einen Ruf als versierter Krisenmanager, sondern auch als treibende Kraft für den Umstieg auf die Elektromobilität erarbeitet hat. Weiter so!
Der Rückblick auf den Umgang mit den Herausforderungen der letzten Jahre
sollte uns zuversichtlich stimmen, dass wir auch die Folgen des Ukraine-Krieges
und der chinesischen No-Covid-Strategie meistern werden. Dennoch: „Wir sind
nicht an dem Punkt, wo sich Lösungen für die vielfältigen Probleme abzeichnen.
Da sind wir noch lange nicht durch.“, wie es Jan Dannenberg abschließend zusammenfasst. Zumal der Wettbewerb aus China nicht schläft!
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre,
Dr. Jan Dannenberg (1962) ist seit 1990 Berater der Automobilindustrie und seit Mai 2011 Gründungspartner bei Berylls Strategy Advisors. Bis zum Frühjahr 2011 war er acht Jahre international als Partner – davon fünf Jahre als Associate Partner – für Mercer Management Consulting und Oliver Wyman tätig. Er ist ausgewiesener Spezialist für Innovationen und Markenmanagement in der Automobilindustrie und berät im Schwerpunkt Zulieferer und Investoren zu Strategie, Mergers & Acquisitions und Performance Improvement. Zudem ist er Geschäftsführer von Berylls Equity Partners, eine auf Mobilitätsunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft.
Bachelor of Arts in Volkswirtschaftslehre von der Stanford University, Studium der Betriebswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Bamberg.
Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.
Dr. Jürgen Simon (1986) ist als Associate Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Vertriebs- und Unternehmensstrategien sowie M&A und kann auf eine langjährige Beratungserfahrung zurückschauen. Er berät seit 2011 Automobilhersteller und -zulieferer und verfügt über fundiertes Expertenwissen in den Bereichen ganzheitliche Strategieentwicklung, Geschäftsmodelle und Commercial Due Diligence. Weitere Schwerpunkte liegen in Markteintrittsstrategien sowie Themen rund um das „Software Defined Vehicle“. Als diplomierter Ökonom der Universität Hohenheim hat er vor seinem Einstieg bei Berylls am Institut für Unternehmensführung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) promoviert.