eränderte Kundenanforderungen, neue Technologien und geopolitische Herausforderungen forcieren den Wandel in der Automobilindustrie.
Statt neue Einnahmequellen durch das Software Defined Vehicle (SDV) zu generieren, müssen Effizienzsteigerungen – in Bezug auf Kosten und Zeit – von 30 % bis 40 % erreicht werden. Dies gilt für westliche OEMs ebenso wie für 1st Tiers. In der Produktentwicklung leistet das SDV den größten Beitrag bei der Erfüllung der gesamtunternehmerischen Aufgabe. ¹
Abbildung 1 – Durchschnittlicher EBITDA¹-Marge nach Herkunft der OEMs
(in % der gesamten Einheiten)
¹ Durchschnitt basierend auf dem EBITDA von europäischen und amerikanischen OEMs (BMW AG, Mercedes-Benz Group AG, Volkswagen AG, Stellantis N.V., Ford Motor Company, Tesla, Inc.) sowie chinesischen OEMs (BYD Company Limited, Great Wall Motor Company Limited, Li Auto Inc., Wuling Motors Holdings Limited, Geely Automobile Holdings Limited):
Quelle: Risk Assessment – E/E Architecture Variance | AUDI | Proposal - Quelle: Berylls by AlixPartners, AlixPartners (confidential), S&P Light Vehicle Sales, Capital IQ
Traditionelle Maßnahmen und Strategien wie die Beschaffung mittels Best-Cost-Country-Sourcing, die Optimierung der Materialkosten und singuläre Prozessanpassungen erweisen sich immer mehr als unzureichend. Daher findet die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes zur Steigerung der R&D-Effizienz immer mehr Akzeptanz. Schlüssel zur gewünschten Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit ist das Beherrschen der Softwareentwicklung und -integration. Dies bedeutet, dass sich Kernkompetenzen und -eigenleistungen der R&D verlagern müssen, um das Produkt mittels angepasster technologischer und organisatorischer Strukturen bis zum End-of-Life kontinuierlich und hochzyklisch wettbewerbsfähig zu halten. Dies umfasst nicht nur eine modulare Produktstruktur und konsistentes Architekturmanagement, sondern auch eine kontinuierliche Lieferung von Softwareprodukten („continuous deployment“). Dieser Wandel ist entscheidend für die Zukunft, um die wachsende Komplexität effektiv bewältigen und fortschrittlichere Produkte zu einem niedrigeren Preis anbieten zu können.
Konkret bedeutet dies, dass Funktionen und Features, letztendlich ein Großteil des Kundenerlebnisses, digitaler gestaltet werden. Mit der Folge, Hardwarevarianten zu reduzieren und – soweit es geht – via Software zu differenzieren.
Der Wandel hin zu einer SDV-fähigen Produktstruktur erfordert neue Fähigkeiten. Um die Softwareentwicklung beherrschen zu können, muss das Operating Model der Automobilunternehmen – Governance, Prozesse, Mitarbeiter, Organisation und Infrastruktur – angepasst werden.
Nächster Schritt: Software-First.
Den Regeln des Systems Engineering folgend, müssen zu Beginn die Anforderungen und die funktionale Architektur entworfen werden, gefolgt von einer schlüssigen und modularen Softwarearchitektur. Basierend auf diesem Ansatz müssen geeignete Prozesse und Rollen geschaffen werden. Dazu gehört auch ein Wandel in der Denkweise und in den Führungsstrukturen bezüglich der Art, wie Entscheidungen getroffen werden. Ein SDV kann in einer Hardware-dominierten Unternehmung nicht gedeihen. Dies gilt auch für die Organisationsstruktur, die sich von den Hardware-orientierten Silos befreien muss.
All dies wird durch eine adäquate Infrastruktur unterstützt, die das erforderliche Branching, hochfrequente Tests/Integration und Release-Management ermöglicht.
Um die erforderlichen Fähigkeiten und die Software Readiness zu messen, haben Berylls by AlixPartners und das Institut für Technologie Management der Universität St. Gallen gemeinsam ein Reifegradmodell entwickelt. Dieses bietet nicht nur die notwendigen KPIs, sondern auch eine Anleitung zur Verbesserung des bestehenden Operating Model in Richtung SDV.
Um eine solche Transformation zu ermöglichen und in der neuen Ära der Automobilentwicklung erfolgreich zu sein, sollte die Umstellung der Kompetenzen bereits begonnen haben. Softwarearchitekten, Data Scientists, Simulationsexperten usw. haben keine Nischenkompetenzen, sondern sind grundlegende Bestandteile des zukunftsfähigen Talentpools. Wenn man sich stärker auf diese digitalen Profile stützt, müssen traditionelle Prozesse wie Planung und Budgetierung anders betrachtet werden. Wachsende Anteile von Software bringen standardisierte Komponenten oder Bibliotheken mit sich, die im gesamten Tech-Stack vieler OEMs verwendet werden. Dies deutet auf eine Verlagerung hin – von einer auftragsbezogenen zu einer modularen Entwicklung.
Das kann helfen, digitale und über Unternehmensgrenzen hinausreichende Modelle der Zusammenarbeit effektiver aufzusetzen und auszusteuern. Hierfür können Aufwandsschätzungen von vorher festgelegten Projektbudgets abgekoppelt betrachtet werden und zyklisch von der Basis aus durchgeführt bzw. strenger an Kundenfunktionen ausgerichtet werden. Beides soll dabei helfen, Kosten transparenter zu machen und auch Planungshorizonte hochzyklischer und verbindlicher zu gestalten.
Abbildung 2 – Software-definierte Produktstruktur
Quelle: Risk Assessment – E/E Architecture Variance | AUDI | Proposal - Quelle: Berylls by AlixPartners, AlixPartners (confidential)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Erreichen von R&D-Effizienz einen transformativen Ansatz erfordert, der alle beteiligten Organisationen einbezieht. Durch die Einführung von SDV gehen die Veränderungen über das Produkt hinaus und betreffen den Kern des unternehmensspezifischen Operating Model (Ablauf- und Aufbauorganisation inklusive Methoden und Tools), wie im Reifegradmodell von Berylls by AlixPartners beschrieben.
Die notwendige Transformation bedarf des Auftrages und der Unterstützung des gesamten Vorstandes, damit neben den CTO-spezifischen Themen ebenfalls Veränderungen der unternehmensweiten Governance-Strukturen möglich sind.
¹ Durchschnitt auf Basis des EBITDA der europäischen und amerikanischen OEMs (BMW AG, Mercedes-Benz Group AG, Volkswagen AG, Stellantis N.V., Ford Motor Company, Tesla, Inc.).