Elektromobilität treibt das Wachstum neuer Geschäftsmodelle an

München, Juli 2023

Elektromobbilität treibt das Wachstum neuer Geschäftsmodelle an

München, Juli 2023
D

ie jüngste Vergangenheit hat auch die Automobilindustrie vor große Herausforderungen gestellt. Globale Lieferschwierigkeiten bedingt durch die Coronapandemie und die steigende Zinspolitik sind nach wie vor ein großes Problem.

Die Nachfrage nach batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) zieht deutlich an. Es wird prognostiziert, dass die weltweite Pkw-Produktion bis 2030 über alle Antriebssysteme hinweg jährlich um 2,2 Prozent wachsen wird. Der BEV-Anteil wird hingegen mit 22,4 Prozent Wachstum stark überproportional zulegen und im Jahr 2030 weltweit über 40 Prozent ausmachen.

Treiber dieser Innovationen sind oftmals auch Start-ups. Daher stellen sich die zentralen Fragen, welche Auswirkungen die Herausforderungen der vergangenen Jahre auf die automobile Innovationskraft durch Start-ups hatten und welche Geschäftsmodelle am vielversprechendsten positioniert sind, um die Automobilindustrie weiter voranzubringen.

Klarer Trend ist die E-Mobilität

Betrachtet man Start-ups, die sich auf Hardware- oder Software konzentrieren und sowohl Produkte im („On-Board“) als auch außerhalb des Fahrzeugs („Off-Board“) anbieten, so ist die Anzahl der Neugründungen seit 2019 gestiegen – reine Dienstleistungs- oder Marktplatz-fokussierte Start-ups werden hierbei nicht betrachtet. Ungeachtet der weltweit wahrnehmbaren wirtschaftlichen Instabilität und Unsicherheit ist die Anzahl von Automotive-Start-ups um jährlich 6,6 Prozent gestiegen.

Dieses Wachstum ist insbesondere auf neu entstandene Geschäftsmodelle in den Segmenten „Ladeinfrastruktur“ (+24%), „Fahrzeugkomponenten“ (+19%) und „Gesamtfahrzeuge“ (+23%) zurückzuführen. Innerhalb dieser Segmente wird das Wachstum wiederum aus den Regionen Amerika und APAC gestemmt. Europa und der Mittlere Osten spielen bei den Neugründungen eine untergeordnete Bedeutung.

Dass die Attraktivität für das Geschäftsfeld „Ladeinfrastruktur“ wächst, wird auch durch den globalen Ausbau des Ladenetzes für Elektrofahrzeuge gestützt. So wird erwartet, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur bis 2030 jährlich um 30 Prozent zunehmen wird. Start-ups, wie beispielsweise Electra oder Xingyuan Borui, treiben mit dem Aufbau von intelligenten Ortungslösungen der nächstgelegenen Ladesäule oder durch die Entwicklung von Schnellladesystemen das Segment voran. Der steigende Bedarf nach einem flächendeckenden Ladeinfrastruktur bietet jungen Unternehmen eine optimale Möglichkeit, die Lücke an innovativen Technologien zu schließen, auch in Europa. Vor allem skandinavische Länder, wie Norwegen, Dänemark und Schweden, stehen hier an erster Stelle.

Gleiches gilt für die zwei anderen Wachstumssegmente „Fahrzeugkomponenten“ und „Gesamtfahrzeuge“. Auch hier basiert das Wachstum auf den steigenden Absatzzahlen von Elektrofahrzeugen. Allein in Europa werden die Verkäufe von Elektrofahrzeugen bis 2030 um jährlich 25 Prozent anziehen. Der Übergang hin zur Elektromobilität bietet Start-ups damit einen guten Nährboden, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Ein Beispiel hierfür ist eLeapPower, ein aufstrebendes Start-up aus Kanada, das sich mit der Entwicklung und Markteinführung des integrierten Wechselrichters im Bereich des elektrischen Antriebstrangs bereits einen Namen machen konnte.

Mit insgesamt zwei neuen Start-ups scheint der ursprüngliche Hype um das autonome Fahren und die Attraktivität für Gründer (und damit auch für Investoren) etwas abzunehmen. Dieser Trend bildet – neben Konnektivität, Elektromobilität und Shared Mobility – eine der vier Kernsäulen der zukünftigen Mobilität.

Die abnehmende Nachfrage nach Robotaxis, aber auch nach autonom fahrenden Systemen (Level4 und Level5) sind ausgewählte Beispiel, die durch regulatorische Einschränkungen und zähe Freigabeprozesse keinen Fortschritt erzielen. Die aktuellen Anwendungsgebiete, hauptsächlich getrieben von Zulieferern und Start-ups, finden (noch) nicht die erhoffte breite Verwendung und Akzeptanz. Dazu kommen hohen Investitionssummen, die bereits vor der Pandemie in diesen Bereich geflossen sind und für Investoren gegenwärtig weder einen Gewinn noch eine kurzfristige Amortisierung in Aussicht stellen. Wichtig ist jedoch die regionale Betrachtung. China ist durch die schon erweiterte Regulatorik für das autonome Fahren anderen Märkten voraus. Die Vielzahl von autonomen Systemen auf der Autoshow Shanghai 2023 wird zudem den weltweiten Wettbewerb deutlich beschleunigen sowie neue Maßstäbe setzen. Auch in den USA werden erste Gesetze in einzelnen Staaten verabschiedet und umgesetzt, während das Schlusslicht Europa weiterhin an der Gesetzgebung arbeitet.

Zuwachs an Start-ups zwischen 2019 und 2023
(Anzahl)

Quelle: Berylls Strategy Advisors

Hohes Funding für Neugründungen in China und Südkorea

Im Zeitraum 2019 bis 2022 wurden insgesamt 11,3 Mrd. USD in die Finanzierung von Automotive-Start-ups investiert. 87 Prozent des Investitionsvolumen entfielen dabei auf die beiden Segmente „Fahrzeugkomponenten“ (4,7 Mrd. USD) und „Gesamtfahrzeuge“ (5,2 Mrd. USD). Die Attraktivität für Investoren beider Geschäftsfelder zeigen sich unter anderem daran, dass hier je Start-up und Finanzierungsrunde im Durschnitt mehr als 140 Mio. USD eingenommen wurden. Im Gegensatz dazu wurden Neugründungen im Bereich des Flottenmanagements lediglich mit 30 Millionen USD durchschnittlich finanziert.

Die asiatischen Start-ups konnten bei Investoren dabei besonders punkten. So wurden rund 70 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens zur Absicherung der Finanzierung von chinesischen und südkoreanischen Zulieferern verwendet. Prominente Beispiele für Neugründungen sind SK on, Zeekr und Voyah.

SK on wurde im Jahr 2021 gegründet und hat sich in der automobilen Wertschöpfungskette als Batteriehersteller bereits erfolgreich etablieren können. Investoren schenken dem Geschäftsmodell von SK on großes Vertrauen und investierten bis dato mehr als 4 Mrd. USD. Damit nimmt SK on mit großem Abstand eine Spitzenposition im Finanzierungs-Ranking ein. Zeekr aus China konzentriert sich auf die Entwicklung von Premium-Gesamtfahrzeugen. Hier haben Investoren die Finanzierung mit 1,6 Milliarden USD abgesichert Der direkte chinesische Wettbewerber Voyah, der sich auch im Premiumsegment des batterieelektrischen Marktes platziert, konnte bis heute rund 702 Millionen USD einsammeln.

Start-ups mit höchster Finanzierung nach Gründung 2019 und Gesamtinvestitionen
[Mio. USD]

Quelle: Berylls Strategy Advisors

Somit lässt sich festhalten, dass die Elektromobilität derzeit ein wichtiger Impulsgeber und Innovationsmotor für die Automobilindustrie auf breiter Front ist. Dies betrifft nicht nur das Gesamtfahrzeug, sondern gleichermaßen auch das Komponentengeschäft sowie die Ladeinfrastruktur. Dass die Mehrzahl der Neugründungen dabei nicht aus Europa kommen, ist Warnsignal und Wachstumschance zugleich. Das Segment der Batterietechnologie ist besetzt und bietet für europäische Start-ups nur noch wenig Spielraum. Anders sieht es hier im Bereich weiterer Enabler-Technologien, wie Leistungselektronik, Lade- oder Netzwerkinfrastruktur aus. Mit eLeapPower, Electra und Staex bringen sich hier bereits aussichtsreiche Kandidaten in Position.

Autoren
Dr. Alexander Timmer

Partner

Fritz Metzger

Partner

Malte Broxtermann

Partner

Sven Zellner

Consultant

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Fritz Metzger

Fritz Metzger ist seit Februar 2021 bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Automotive Operations.

Seit 2011 fokussiert er dabei strategische Ausrichtung und Effizienzsteigerung der Operations von Automobilherstellern und -zulieferern. Zudem berät er das Top Management in kritischen Situationen, dazu gehören Task Forces im Rahmen der Entwicklung und Industrialisierung, Verlagerungen und die Restrukturierung von Werken und kompletten Zulieferern. Die Herausforderungen der E-Mobilität sind dabei stets im Blickfeld.

Vor seiner Zeit bei Berylls war er als Direktor bei internationalen Strategieberater PwC Strategy& tätig, sowie als Vertriebs- und Projektleiter bei einem mittelständischen Zulieferer und Maschinenbauer.

Fritz Metzger ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur mit einem Abschluss von der ESB Business School Reutlingen und hat einen MBA an der Universität Salzburg absolviert.

Malte Broxtermann

Malte ist Experte in der Entwicklung & Umsetzung automobiler Digitalisierungsstrategien. Sein Fokus liegt auf der Skalierung neuer Technologien zur Ergebnisverbesserung entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette.
Schwerpunktmäßig berät er dazu Automobilhersteller und deren Zulieferer bei der Implementierung von (generativer) künstlicher Intelligenz und im Bereich des Software-Defined-Vehicle.
Vor seiner Beraterlaufbahn war er langjähriger Mitarbeiter des Rettungsdiensts. Er absolvierte das Studium der VWL an der Universität Maastricht und der Queen’s University in Kanada.