Autoren: Dr. Alexander Timmer, Sebastian Scheubeck, Thorsten Mauthe
Die Automobilzulieferindustrie spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Wirtschaft und bildet eine tragende Säule des industriellen Sektors. Sie umfasst über 1.400 Unternehmen, die Komponenten, Systeme und Technologien für Automobilhersteller bereitstellen, darunter viele mittelständische Betriebe, welche als „Hidden Champions“ weltweite Marktführer in ihrem Spezialgebiet sind.
Mit ihren rund 276.000 Mitarbeitern liefern die deutschen Automobilzulieferer einen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von etwa 35 bis 40 Milliarden Euro jährlich, was einem Anteil von rund 1,0 % bis 1,2 % am gesamten deutschen BIP entspricht (Stand: 2023). Hinzu kommen weitere indirekte Effekte – etwa durch verbundene Branchen wie Maschinenbau, Chemie oder Dienstleistungen.
Viele technologische Fortschritte – etwa in den Bereichen Elektromobilität, autonomes Fahren oder Digitalisierung – gehen maßgeblich auf Entwicklungen von Zulieferern zurück. Gemäß dem Verband der Automobilindustrie (VDA) investieren sie jährlich 8-10 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (ca. 6-8% vom Umsatz), davon etwa 5 Milliarden Euro gezielt in Schlüsseltechnologien wie Elektromobilität, automatisiertes Fahren und digitale Fahrzeugarchitekturen.
Trotz ihrer Stärke steht die Branche derzeit unter Druck. Globale Lieferkettenprobleme, steigende Energiepreise, geopolitische Unsicherheiten und der wachsende internationale Wettbewerb stellen Zulieferer vor große Herausforderungen. Besonders kleinere und mittlere Unternehmen kämpfen mit der Finanzierung der notwendigen Transformation und den Anforderungen der Automobilhersteller, die vermehrt auf Softwarelösungen und Plattformstrategien setzen.
Die Zulieferer versuchen mit Kostenreduzierungsprogrammen auf das zunehmend schwierige Marktumfeld zu reagieren. So sind allein im Jahr 2024 ca. 7.000 Stellen bei Zulieferern in Deutschland entfallen. Weitere Stellenstreichungen werden nahezu täglich bekanntgegeben, weshalb von einer Fortsetzung des Trends auszugehen ist. Das Ausmaß der aktuellen Krise lässt sich ebenfalls an der Anzahl der Insolvenzen in der Industrie beobachten. Diese sind von 29 im Jahr 2022 auf 57 im Jahr 2024 gestiegen – auch hier zeichnet sich im Jahr 2025 eine Fortsetzung des Trends ab.
Insgesamt bleibt die Automobilzulieferindustrie ein Schlüsselsektor der deutschen Wirtschaft. Ihre Innovationskraft, Exportstärke und Beschäftigungswirkung machen sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil des industriellen Rückgrats Deutschlands. Damit sie ihre Rolle auch in Zukunft erfolgreich ausfüllen kann, sind politische Unterstützung, gezielte Förderprogramme sowie eine enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Fahrzeugherstellern erforderlich. Nur so kann die Branche die Herausforderungen der Transformation bewältigen und weiterhin ein Garant für Wohlstand und technologischen Fortschritt sein.
Autoren: Christian Grimmelt, Fritz Metzger
Die europäische Automobilindustrie steht an einem Wendepunkt. Um ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern, braucht es ein neues Miteinander entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Für Zulieferer eröffnet sich dabei die Chance, sich als strategische Partner zu positionieren – nicht nur bei sichtbaren Innovationen, sondern auch bei essenziellen, oft unsichtbaren Komponenten.
Gerade mittelständische Zulieferer mit technologischem Know-how sind unverzichtbar, wenn es darum geht, die Branche als vernetztes, zukunftsfähiges Ökosystem neu zu denken. Durch enge, vertrauensvolle Partnerschaften lassen sich nicht nur Kosten nachhaltig senken, sondern auch Entwicklungszeiten deutlich verkürzen – ein entscheidender Vorteil im globalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber dem zunehmenden Innovations- und Kostendruck aus Fernost, wie am Beispiel des Aufstieges der chinesischen Zulieferer aufzeigt. Dies funktioniert nur in einer Partnerschaft auf Augenhöhe – von der Entwicklungsphase bis zur Serie.
In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen OEMs und Zulieferern nicht immer durch einen Umgang auf Augenhöhe geprägt. Die Zulieferer-Experten von AlixPartners und Berylls by AlixPartners sind der Ansicht, dass sich dies grundlegend ändern muss. OEMs sind nach ihrer Einschätzung dringend gefordert, umzudenken und die Potenziale echter Zusammenarbeit zu erkennen. Denn nur durch ein gemeinsames Streben nach einem Gesamtoptimum kann der Standort Deutschland gestärkt und zukunftssicher aufgestellt werden. Die Unternehmensberater empfehlen nachhaltig sich gemeinsam für ein starkes Automobil-Ökosystem einzusetzen indem Zulieferer als Schlüsselpartner agieren.
Autoren: Dr. Jürgen Simon, Dr. Xing Zhou
Die deutsche Automobilzulieferindustrie befindet sich in einer Transformation von historischem Ausmaß – ähnlich der Ablösung des Pferdes durch das Automobil als Leittechnologie der Mobilität. Die Transformation hin zur Elektromobilität, steigende Kosten in der Lieferkette, regulatorische Unsicherheiten und disruptiver Wettbewerb aus Asien setzen etablierte Unternehmen unter Druck. Gleichzeitig erschweren Investitionsrisiken und volatile Absatzmärkte den Zugang zu Kapital – dringend benötigt für die parallele Transformation von Antriebsformen. Der Markt ist strukturell eingebrochen – Überkapazitäten sind mit hohem Aufwand abzubauen oder mit teuer gekauften Aufträgen zu füllen. In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Zulieferer in Deutschland ihre Kapazitäten reduziert oder Insolvenz angemeldet – insbesondere mittelständisch geprägte Unternehmen sind betroffen. Wie lange kann das die Industrie allein stemmen? Brauchen wir mehr Staat? Schließlich gibt es für die Automobilindustrie massive staatliche Unterstützungen in den anderen Weltregionen.
Damit die negative Entwicklung nicht unumkehrbar wird, braucht Deutschland dringend eine industriepolitische Gesamtstrategie mit Augenmaß – aber eben auch interessengeleitet und verlässlich in der Planung. Die Politik muss definieren, welchen Stellenwert die Automobilindustrie und insbesondere ihre hochspezialisierte Zulieferbasis künftig für den Standort haben soll. China macht es vor: Dort ist klar, dass die Automobilbranche ein strategischer Sektor ist mit dem Ziel, 10% des BIPs auszumachen, der aktiv durch Staatskapital, Förderprogramme und langfristige Zielbilder gestützt wird. „In Deutschland, aber auch in Europa dagegen fehlt dieser Kurs und mit ihm jede Planungssicherheit für Unternehmen, Investoren und Beschäftigte“ erläutert Xing Zhou, Partner bei AlixPartners.
Damit Transformationsrisiken beherrschbar bleiben, muss die Politik Technologien gezielt und langfristig fördern. Investitionen in neue Antriebe, Softwarearchitekturen oder klimaneutrale Produktionsverfahren sind kapitalintensiv und amortisieren sich oft erst nach vielen Jahren. Die Planung bedingt Verlässlichkeit in der Regulatorik und in der Förderung. Die Forderung der AlixPartners und Berylls by AlixPartners Zulieferer-Experten an die Politik ist klar, sie sollte schlüssige Pfade definieren: Etwa über technologieoffene CO₂-Zielkorridore, verlässliche Flottengrenzwerte und Förderprogramme mit mehrjähriger Perspektive – und vor allem eine Energiepolitik, die die Elektromobilität für die Masse bezahlbar macht. Was für eine gelungene Transformation zählt sind die sogenannten Total Cost of Ownership (TCO) – am Ende war das Pferd inkl. Unterhalt nämlich ein Vielfaches teurer als das Auto. In China ist der Kipppunkt – finanziell und emotional – bereits erreicht und die Skaleneffekte setzen automatisch ein. Auch steuerliche Forschungsförderung muss nach Ansicht der Experten ambitionierter werden, mit höheren Fördersätzen, weniger Bürokratie und besserer Nutzbarkeit für mittelständische Unternehmen. „Wo systemrelevante Kompetenzfelder wie Leistungselektronik, Halbleiter oder Batteriechemie entstehen, sollte der Staat gezielt über strategische Beteiligungen oder Fonds mitstimulieren“, empfiehlt Jürgen Simon, Associate Partner bei Berylls by AlixPartners.
Damit Deutschland als Industriestandort konkurrenzfähig bleibt, müssen die politischen Rahmenbedingungen wieder wettbewerbstauglich werden. Viele Zulieferer zahlen in Deutschland Unternehmenssteuern und Energiekosten, die im internationalen Vergleich nicht mehr tragbar sind. Um zu investieren, brauchen Zulieferer Berechenbarkeit, kurze Genehmigungszeiten und fairen Zugang zu Kapital. Deshalb braucht es spürbare Steuererleichterungen für Investitionen, eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten und eine umfassende Entlastung beim Industriestrompreis. Forschungsförderung muss schneller in den Betrieben ankommen. Zudem müssen Handelshemmnisse abgebaut werden – insbesondere in Bezug auf den transatlantischen Markt und China.
Und: Ohne Fachkräfte keine Transformation. Deshalb ist eine moderne Bildungspolitik ebenso entscheidend wie gezielte Fachkräftezuwanderung. Wer die Mobilität von morgen entwickelt, braucht Menschen mit Know-how.
Damit Deutschlands Automobilzulieferer auch in 20 Jahren noch global relevant sind, braucht es, nach Ansicht von AlixPartners und Berylls by AlixPartners, einen starken Heimatmarkt sowie eine neue politische Ausrichtung – verlässlich, langfristig und umsetzungsstark. Ziel sollte es sein, Unternehmen zu befähigen, den Wandel aktiv zu gestalten und nicht, ihn nur zu verwalten.
Autor: Laura Kronen, Dr. Hannes Weckmann, Dr. Kai Henseler
Die heutigen Kostenstrukturen vieler Zulieferer stehen aus vielen Gründen im Widerspruch zur wirtschaftlichen Lage. Einheitliche Entgeltsysteme, automatische Lohnsteigerungen sowie starre tarifliche Zusatzleistungen gefährden Investitionsspielräume und die Zukunft zahlreicher Standorte in Deutschland – gerade im Mittelstand. Konsequente Einsparungen jetzt, ersparen uns mittelfristig Insolvenzen und den Verlust tausender Arbeitsplätze. Entscheidend ist es fair und konsequent zu sein – bei Diskussionen auf allen Unternehmensebenen. Dies betrifft insbesondere den Verzicht auf starre tarifliche Zusatzleistungen, die Einführung differenzierter Tarifmodelle für KMU-Zulieferer und die Knüpfung von Entgeltsteigerungen an Produktivitätsentwicklung von Unternehmen.
Zulieferbetriebe müssen auf volatile Kundenabrufe und Unterbrechungen der Lieferkette, dadurch schwankende Auslastung und neue Produktionsanforderungen schnell reagieren können. „Dafür braucht es flexiblere Arbeitszeitmodelle, weniger starre Zuschlagsregelungen und pragmatische Schichtsysteme – ohne sich in komplexen Betriebsvereinbarungen zu verlieren“ fordern die Experten von AlixPartners und Berylls by AlixPartners.
In vielen Unternehmen dauern Abstimmungen mit den Arbeitnehmervertretern zu lange und blockieren wichtige Entscheidungen. Die Rolle der Arbeitnehmervertreter ist von besonderer Wichtigkeit und keinesfalls kleinzureden. Dennoch: Bei Projekten mit engem Zeitrahmen oder Kundenvorgaben braucht es schnellere, digitalisierte und klar abgegrenzte Mitbestimmungsprozesse, um die Umsetzungsgeschwindigkeit zu sichern. Dies betrifft insbesondere die Standardisierung von Betriebsvereinbarungen für wiederkehrende Maßnahmen, Schaffung von „Fast-Track“-Entscheidungskanälen für kritische Projekte, Digitale, standardisierte Mitbestimmungsprozesse (z. B. über Tools) und eine klare Abgrenzung von Informationspflicht vs. Zustimmungspflicht.
Unternehmer und Arbeitnehmervertreter müssen sich als Partner in der Transformation wie auch im alltäglichen Betriebsablauf verstehen, mit gemeinsam getragenen Zielen, mehr Ergebnisverantwortung und tariflichen Spielräumen für gefährdete Standorte. Das Interesse eines erfolgreich agierenden, wachsenden Unternehmens haben letzten Endes beide Seiten. Nur durch unternehmerisches Denken und ein Zurückstellen der persönlichen Befindlichkeiten auf beiden Seiten lassen sich Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit sichern. Die Expertinnen und Experten fordern eine Koppelung von Betriebsvereinbarungen an gemeinsame Produktivitätsziele, Tariföffnungsklauseln für Transformationsstandorte und stärkere Ausrichtung der Sozialauswahlkriterien am Beitrag zur Zukunftsfähigkeit.
Die Herausforderungen der Transformation, des Wettbewerbsdrucks und der Technologiewende sind zu groß, um mit alten Mustern zu reagieren. Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber müssen sich ebenfalls der neuen Realität des globalen Wettbewerbs stellen und gemeinsam mit den Unternehmern neue Wege gehen – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Verantwortung für Standorte, Arbeitsplätze und zur Sicherung der Zukunft für die deutsche Automobilbranche.
Autoren: Dr. Jan Dannenberg, Björn Simon
Elektromobilität, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, volatile Lieferketten und geopolitische Unsicherheiten fordern die Unternehmen strategisch und besonders auch finanziell heraus. Gleichzeitig bleiben Zulieferer zentrale Innovationsmotoren der Branche. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, gegenüber Kapitalmarkt und Banken selbstbewusst und partnerschaftlich konkrete Forderungen zu formulieren.
Die Profitabilität sinkt: Die durchschnittliche EBITDA-Marge der mittelständischen Zulieferer fiel laut IKB von 8,6 % (2018) auf 7,2 % (2023), das EBT von 4,5 % auf 2,7 %. Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten: Der Zinsaufwand kletterte von 0,9 % (2021) auf 1,4 % (2023). Laut VDA-Umfrage planen 76 % der Zulieferer, Investitionen in Deutschland aufzuschieben, ins Ausland zu verlagern oder ganz zu streichen. Hauptgründe: schwache Absatzerwartungen in Europa (58 %), hohe Produktionskosten (16 %) und schwierige Finanzierungsbedingungen (15 %). 69 % berichten von Zurückhaltung der Hausbanken.
Investitionen in neue Technologien lassen sich nicht mehr über kurzfristige Cashflows decken. Benötigt werden längere Laufzeiten, tilgungsfreie Anlaufphasen und flexible Rückzahlungsmodelle. Kreditbedingungen sollten Zukunftspotenziale einbeziehen, statt nur vergangenheitsbasierte Kennzahlen. Die Transformation erfordert grüne und ESG-gebundene Finanzierungen (z. B. Sustainability-linked Loans, Green Bonds). Neben attraktiven Konditionen sind Strukturierungshilfen und der Zugang zu Fördermitteln (z. B. KfW) essenziell. Syndizierte Finanzierungen können Risiken streuen.
Die Branche wird nach Einschätzung der Berylls by AlixPartners-Experten, pauschal abgestraft, neue Engagements oft abgelehnt. Stattdessen braucht es eine differenzierte Bewertung. Viele Zulieferer sind innovationsstark und zukunftsfähig. Laut VDA berichten zwei Drittel der Unternehmen von erschwertem Kredit-Zugang, während 74 % mit steigender ESG-Relevanz in Kreditentscheidungen rechnen. Die Ablehnung ganzer Sektoren verhindert notwendige Investitionen. Strategische Neuausrichtung, z. B. Diversifikation, Partnerschaften, neue Märkte, erfordert passende Finanzierung. M&A, Start-up-Beteiligungen und Joint Ventures sollten unterstützt werden. Banken müssen sich als Sparringspartner positionieren, nicht nur als Kreditgeber. „Die Branche braucht nicht weniger, sondern smarteres Kapital. Flexibel, nachhaltig, strategisch.“, fordert Jan Dannenberg, Partner bei Berylls by AlixPartners.
Lageraufbau, Nearshoring und Working Capital sind essenziell. Instrumente wie Sale-and-Lease-Back-Transaktionen oder Factoring bieten etablierte bankseitige Möglichkeiten, um die Liquiditätssituation von Automobilzulieferern gezielt zu stabilisieren. Ergänzend sollten Banken adäquate Hedging-Lösungen zur Absicherung von Zins-, Rohstoff- und Währungsrisiken bereitstellen, um Unternehmen gegen externe Volatilitäten abzusichern.
Nach fünf Jahren Dauerkrise haben viele Unternehmen restrukturiert. Dennoch ist die Lage angespannt. Banken sollten ihre Portfolios durchleuchten und strukturell schwache Unternehmen in Sanierung oder kontrollierte Insolvenz führen. Gleichzeitig empfehlen die Zulieferer-Experten von Berylls by AlixPartners, dass gesunde Unternehmen unterstützt werden. Konsortialfinanzierungen aus lokalen Banken, Großbanken und ESG-orientierten Investoren bieten Stabilität. Konsortialführer sollten aktiv gestalten: Rahmenbedingungen setzen, Transformation begleiten, gesellschaftsrechtliche Veränderungen ermöglichen. Ziel: schwache Marktteilnehmer ausmustern, starke Anbieter stärken. „Finanzierer müssen jetzt gestalten, nicht verwalten – sonst droht der Strukturbruch.“, ergänzt Björn Simon, Kapitalmarktexperte bei Berylls by AlixPartners.
Die Transformation der Zulieferbranche braucht somit ein starkes Finanzierungssystem. Banken und Kapitalmärkte müssen differenziert handeln, Risiken bewusst eingehen und Strukturen aktiv mitgestalten. So bleibt die industrielle Substanz der deutschen Automobilwirtschaft erhalten und wettbewerbsfähig.
Autor: Paul Kummer, Stefan Schneeberger
Entscheidend ist, nach einer Einschätzung der Berylls by AlixPartners-Berater zunächst, dass die Branche geschlossen auftritt. Nur wenn Zulieferer gegenüber den großen Herstellern – etwa bei der Beschleunigung von Entwicklungszyklen – mit einer Stimme sprechen, können sie Einfluss nehmen.
Gleichzeitig ist für jeden Zulieferer selbst eine proaktive Steuerung des eigenen Portfolios erforderlich. Unternehmen müssen ihr Kerngeschäft konsequent definieren und sich von nicht-strategischen Aktivitäten trennen, um Ressourcen – insbesondere Kapital – gezielt einzusetzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Laut Stefan Schneeberger, Associate Partner bei Berylls by AlixPartners „gehört dazu auch die Einleitung notwendiger Konsolidierungen innerhalb der (deutschen) Zuliefererlandschaft“. Durch die Bündelung von Kompetenzen und die Nutzung von Skaleneffekten kann nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Innovationskraft nachhaltig gestärkt werden. Der Handlungsbedarf wird unter anderem durch die weiterhin niedrige EBIT-Marge deutlich (Top 100 Zulieferer: 5,9 % im Jahr 2023). Zudem zeichnet sich mit Blick auf den aktuellen Umsatzrückgang bei großen OEM-Playern zusätzlicher Gegenwind für die Branche ab.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Überprüfung und Anpassung der Kerneigenleistungen am Standort Deutschland – sowohl in direkten als auch in indirekten Bereichen. Zwar wurde der Anteil an Produktionsstätten in Deutschland bereits reduziert, doch angesichts stagnierender Fahrzeugstückzahlen, (4,2 Mio. Fahrzeuge im Jahr 2024, Ausblick 2030: Stagnation bei 4,2 Mio.), stellt sich verstärkt die Frage, welche Tätigkeiten künftig in Deutschland vorgehalten werden müssen, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu sichern.
Schließlich bedarf es eines stärkeren Fokus auf wertorientierte Preisstrategien. Die Abkehr vom traditionellen Cost-Plus-Ansatz hin zu Value-Based Pricing ermöglicht es, den tatsächlichen Kundennutzen besser zu monetarisieren und die Margen zu stabilisieren – „ein entscheidender Schritt in einem zunehmend herausfordernden Marktumfeld und eine Maßnahme, um einen ruinösen Preiskampf bei einzelnen Komponenten zu entschärfen“ erläutert Paul Kummer, Partner bei Berylls by AlixPartners.
Die deutsche Zulieferindustrie steht somit vor tiefgreifenden Veränderungen. Nur durch gemeinsames Handeln, strategische Fokussierung und Konsolidierungen, Standortanpassungen und wertorientierte Preisstrategien kann sie ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und neue Wachstumsfelder im Rahmen des Strukturwandels erschließen.