Digitalisierung

Batterietechnologie Start-ups in der Automobilindustrie: Hype oder Flaute? In welche Richtung entwickeln sich die zukünftigen Geschäftsmodelle?

München, Juni 2022

Batterietechnologie Start-Ups in der Automobilindustrie: Hype oder Flaute? In welche Richtung entwickeln sich die zukünftigen Geschäftsmodelle?

München, Juni 2022

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erzeit erleben wir weltweit eine Aufbruchsstimmung weg von konventionellen Verbrennungsmotoren hinzu surrenden batterieelektrischen Fahrzeugen.

Der Anstieg der Neuzulassungen belegt diesen Trend und spricht eine deutliche Sprache: Während die Anzahl der weltweiten Neuzulassungen über alle Antriebsformen hinweg bis 2030 um 5% zunehmen wird, verliert der traditionelle Verbrennungsmotor signifikant Anteile. Die Neuzulassungen für batterieelektrische Fahrzeuge werden im weltweiten Durchschnitt aller Voraussicht nach mit über 30% zulegen können. Fundamentaler Baustein und Voraussetzung für dieses Wachstum ist die Verfügbarkeit von ausreichend Batteriezellen.

Im Jahr 2021 lag die jährliche Produktionskapazität von Lithiumionen-Batterien in den USA, Europa und China in Summe knapp unter 700 GWh. Für 2030 wird in diesen Regionen mit einem jährlichen Bedarf von bis zu 2.600 GWh gerechnet, was zur Deckung eine jährliche Steigerung der Produktionskapazitäten von 16% erfordern würde. Das schnelle Wachstum des Batteriezellbedarfs und der damit einhergehenden Produktionskapazitäten stellt die Zuliefererindustrie vor zentrale Fragen: Welche Strukturen und Geschäftsmodelle werden diesen Trend ermöglichen? Schaffen es die etablierten Marktteilnehmer auf den Trend schnell und innovativ zu reagieren – oder werden andere, neue Marktteilnehmer die sich auftuende Lücke nutzen, bevor die bestehenden Zulieferer sie schließen können?

Auch wenn viele etablierte Zulieferer diverse Aktivitäten unternommen haben, ist in den letzten 10 Jahren ein wahrer Hype um Start-ups im Kontext Batterietechnologie und -produktion zu beobachten. Von 700 Start-ups, die im Kontext Batterie identifiziert und die seit 2010 gegründet wurden, haben allein 279 Start-ups einen Bezug zur Automobilindustrie. Neben dem großen Markpotenzial und dem Hype um die Elektromobilität sind die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt als Treiber dieser Entwicklung nicht zu vernachlässigen. Mit Blick auf die analysierten Start-ups fand diese Entwicklung den Höhepunkt in den Jahren 2016 und 2017 und hat sich seither verlangsamt. Über die Jahre betrachtet, stammt der Großteil der Start-ups aus Nord-, Mittel und Südamerika, auch wenn sich mittlerweile große Firmen aus anderen Regionen besonders im Bereich der Zellproduktion erfolgreich etablieren konnten. Der chinesische Zulieferer CATL steht Pate für diese Entwicklung. 2011 als Start-up gegründet, konnte CATL den Umsatz seit 2019 auf stolze 18,1 Mrd. EUR im Jahr 2021 verdreifachen.

Abbildung 1: Batterie Start-ups mit Automobilbezug nach Gründungsjahr und Region (Anzahl)

Autoren
Fritz Metzger

Principal

Hendryk Pausch

Senior Associate

Sven Zellner

Consultant

Betrachtet man die Finanzierung dieser Start-ups, so lässt sich insbesondere in den letzten Jahren ein Trend hin zu großen Finanzierungsrunden feststellen. Von über 200 analysierten Finanzierungsrunden der betrachteten Start-ups entfallen allein 53 auf das Jahr 2021 mit einem durchschnittlichen Volumen von 119 Mio. Euro. Seit 2020 hat sich dieser Wert versechsfacht und die gesamte jährliche Finanzierung der betrachteten Start-ups ist von 900 Mio. Euro auf über 6 Mrd. Euro sogar um das Siebenfache gestiegen. Große Finanzierungsvolumen sind insbesondere bei den investitionsintensiven Batteriezellenherstellern zu finden. Das erhaltene Kapital ist notwendig, um die Produktionskapazitäten entsprechend der schnell steigenden Nachfrage der Automobilhersteller auszubauen.

Abbildung 2:  Start-up Finanzierung vor öffentlicher Erstsmission nach Jahren [in Mio. EUR]

Mit zunehmender Größe der Batteriehersteller wird es nun schwieriger für neue Start-ups Fuß zu fassen: Sie scheinen ihr Glück in neuen und anderen Segmenten der Wertschöpfungskette zu suchen. Entsprechend ist zu erkennen, dass bereits in den letzten Jahren Start-ups nicht nur in der klassischen Batterieproduktion, sondern auch in Bereichen wie Recycling und Wiederaufbereitung (Remanufacturing) sowie Dienstleistungen gegründet wurden. Sowohl die absolute Anzahl als auch der Anteil der Start-ups im Bereich der Batterieproduktion sind in den letzten drei Jahren rückläufig.

Abbildung 3: Start-ups nach Gründungsjahr [Anzahl] und Wertschöpfungsstufe [Anteil]

Bereiche, die derzeit noch Potential für Start-ups bieten, sind Feldüberwachung von Batterien und Produktion sowie das Schließen des Materialkreislaufs. In diesen Bereichen findet Künstliche Intelligenz vermehrt Einsatz, die hierdurch zur Qualitätsabsicherung in Feld und Produktion beiträgt und somit gezielt ungelöste Herausforderungen nutzt, um nachhaltigen Kundennutzen zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist Start-up Accure Battery Intelligence aus Aachen.

Bleibt nun die Frage: Welche Optionen haben die etablierten Zulieferer? Der Kampf um immer größere Produktionsvolumina ist in vollem Gange. Bei einer strategischen Neuausrichtung auf die Batterieindustrie im Bereich Automotive ist es hier kaum mehr möglich Fuß zu fassen. Die Marktanteile verteilen sich auf mittlerweile eingeschwungene Spieler. Ähnlich wie für die jungen Start-ups gilt es für die konventionellen Zulieferer sich auf die Randbereiche zu fokussieren und hier gezielt Kompetenzen aufzubauen, die das Ökosystem Batterie befeuern und Probleme in Wertstrom und Feld lösen – entweder durch eigene Kraft oder den Zukauf von außen.

Über den Autor
Fritz Metzger

Fritz Metzger ist seit Februar 2021 bei Berylls Strategy Advisors tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Automotive Operations.

Seit 2011 fokussiert er dabei strategische Ausrichtung und Effizienzsteigerung der Operations von Automobilherstellern und -zulieferern. Zudem berät er das Top Management in kritischen Situationen, dazu gehören Task Forces im Rahmen der Entwicklung und Industrialisierung, Verlagerungen und die Restrukturierung von Werken und kompletten Zulieferern. Die Herausforderungen der E-Mobilität sind dabei stets im Blickfeld.

Vor seiner Zeit bei Berylls war er als Direktor bei internationalen Strategieberater PwC Strategy& tätig, sowie als Vertriebs- und Projektleiter bei einem mittelständischen Zulieferer und Maschinenbauer.

Fritz Metzger ist ausgebildeter Wirtschaftsingenieur mit einem Abschluss von der ESB Business School Reutlingen und hat einen MBA an der Universität Salzburg absolviert.