Automobilzulieferer schließen Standorte in Europa und fokussieren sich auf Elektromobilität

München, August 2024

Automobilzulieferer schließen Standorte in Europa und fokussieren sich auf Elektromobilität

München, August 2024
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m Jahr 2023 betrug der Anteil Deutschlands an der globalen Fahrzeugproduktion rund 4,8 % und es wird erwartet, dass dieser Anteil bis 2030 auf 5,4 % ansteigen wird.

Aber auch in China und den USA geht man von einem Wachstum der Produktion bis 2030 aus. Für die Zulieferer stellt sich daher die Frage, wie sie am Wachstum partizipieren können und ob sie dafür ihre Fokustechnologien wie auch die geografische Lage ihrer Produktionsstandorte anpassen müssen.

Wachstum in China, den USA und Mexiko, Standortschließungen in Deutschland

Betrachtet man die prognostizierten Standortentwicklungen der weltweiten TOP-20-Automobilzulieferer, ergibt sich auf den ersten Blick ein positiver Trend: Zwischen Januar 2022 und Februar 2024 wurden von ihnen deutlich mehr Erweiterungen und Neueröffnungen als Schließungen und Veräußerungen von Standorten angekündigt (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Anzahl der geplanten Standortveränderungen bei den TOP 20-Automobilzulieferern weltweit
Angekündigter Zeitraum der geplanten Standortveränderungen: Januar 2022 bis Februar 2024

Quelle: Berylls by AlixPartners

Dies gilt jedoch nicht für alle Länder gleichermaßen, insbesondere nicht für den Standort Deutschland: Hier überwiegen die Verkäufe und Schließungen (siehe Abbildung 2) sowie eine Verlagerung in andere Regionen, so zum Beispiel bei Continental: Das Werk Babenhausen wird bis 2028 geschlossen, Teile der dortigen Produktion sind bereits nach Osteuropa verlagert und das Werk in Gifhorn wird bis Ende 2027 aufgrund fehlender Rentabilität komplett geschlossen.

Abbildung 2: Anzahl der geplanten Standortveränderungen bei den TOP 20-Automobilzulieferern in ausgewählten Ländern
Angekündigter Zeitraum der geplanten Standortveränderungen: Januar 2022 bis Februar 2024

Quelle: Berylls by AlixPartners

Auch in den USA stehen sehr viele Werksverkäufe und -schließungen an. Hier zeichnet sich im Gegensatz zu Deutschland jedoch keine strukturelle Abwanderung ab, da die Werksschließungen von einer deutlich höheren Anzahl Neueröffnungen und Erweiterungen bestehender Kapazitäten überkompensiert werden. Ein wesentlicher Wachstumstreiber in den USA ist die Elektromobilität (Abbildung 3) – der Inflation Reduction Act hat das Potenzial, diese Dynamik weiter zu verstärken. Zu den Gewinnern bei Neueröffnungen und Erweiterungen zählen neben den USA auch Japan, Kanada, Ungarn und insbesondere China (Abbildung 2).

In China wird das mit Abstand größte Wachstum erwartet – wie in den USA dominieren auch hier mit über 40 % ganz eindeutig Investitionen in die Fertigung von Elektro-Antriebssträngen. Dabei spielen deutsche Unternehmen eine maßgebliche Rolle, sie stehen hinter fast 40 % der genannten Investitionen in China – und sind damit für mehr Investitionen vor Ort verantwortlich als chinesische TOP-20 Zulieferer.

Abbildung 3: Anzahl der geplanten Standortveränderungen bei den TOP 20-Automobilzulieferern in ausgewählten Commodities
Angekündigter Zeitraum der geplanten Standortveränderungen: Januar 2022 bis Februar 2024

Quelle: Berylls by AlixPartners

In Mexiko spezialisieren sich die investierenden Unternehmen auf die Themen Elektrik und Elektronik. Rund 40 % der lokalen Investitionen entfallen auf diesen Bereich, wie durch die Erweiterung von drei Aptiv-Standorten zur Erhöhung der Produktionskapazitäten z.B. für Niederspannungs-Kabelbäume.

Chinesische und US-Unternehmen investieren primär in den Heimatmärkten

Neben den Trends E-Mobilität und Wachstum in China fällt bei den geplanten Investitionen der Trend „home country first“ stark ins Auge (Abbildung 4): US-Unternehmen fokussieren sich primär auf den amerikanischen Heimatmarkt und deutlich weniger auf Asien oder Europa. Auch chinesische Unternehmen verfolgen diese Strategie und konzentrieren sich bei ihren Investitionen sehr deutlich auf den Heimatmarkt. Vor dem Hintergrund des kürzlich beschlossenen 100%igen Importzolls auf chinesische Elektrofahrzeuge in den USA ist dies ein deutliches Signal für die zunehmende Abschottung der beiden Märkte, was sich auch in den Investitionen der betrachteten Zulieferer widerspiegelt.

Abbildung 4: Prozentualer Anteil der Investitionsschwerpunkte der TOP 20-Automobilzulieferer in ausgewählten Ländern
Angekündigter Zeitraum der geplanten Standortveränderungen: Januar 2022 bis Februar 2024

Deutsche Unternehmen hingegen zeigen wenig Interesse an neuen Standorten im eigenen Land – obwohl sie mit 27 % für den größten Anteil der Investitionen unter den TOP-20-Automobilzulieferern verantwortlich sind. BOSCH investiert in neue Werke in China, um die Produktionskapazitäten für E-Powertrain-Komponenten zu erhöhen, und ZF Friedrichshafen investiert 500 Mio. USD in den bestehenden Standort Gray Court, South Carolina, um dort gleichzeitig konventionelle wie auch elektrifizierte Antriebssysteme produzieren zu können.

Standorte in Deutschland werden geschlossen – aber deutsche Zulieferer sind führend im Aufbau neuer Produktionskapazitäten

Unter dem Strich ist der Blick in die Zukunft aus deutscher Perspektive ambivalent: Es wird eine deutliche Konsolidierung der Standorte von Automobilzulieferern in Deutschland geben – die Expansionen zur Ermöglichung der E-Mobilitäts-Transformation finden maßgeblich in den USA und China statt. Eine Entwicklung, von der die deutschen Zulieferer aber indirekt auch profitieren, denn sie sind in diesen relevanten Wachstumsmärkten weiterhin stark vertreten – und können ihre Position dort sogar ausbauen.

Für global agierende Automobilzulieferer lohnt es sich, ihre Präsenz in Wachstumsmärkten wie den USA und China zu festigen, denn damit stellen sie die Einhaltung lokaler Standards sicher und vermeiden hohe Logistikkosten oder sich abzeichnende Importzölle und es kann auf kritische Tier-n-Zulieferer und deren Ressourcen zurückgegriffen werden.

Abbildung 5: Prozentualer Anteil der Herkunftsländer von Investitionen der TOP 20-Automobilzulieferer und Zielland der geplanten Investitionen
Angekündigter Zeitraum der geplanten Standortveränderungen: Januar 2022 bis Februar 2024

Quelle: Berylls by AlixPartners

Autoren
Dr. Alexander TImmer

Partner

Christian Grimmelt

Partner

Stefan Schneeberger

Associate Partner

Andreas Maihöfner

Project Manager

Alexander van Woudenberg

Project Manager

Dr. Alexander Timmer

Dr. Alexander Timmer (1981) ist seit Mai 2021 als Partner bei Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) tätig, einer internationalen und auf die Automobilitätsindustrie spezialisierten Strategieberatung. Er ist Experte für Markteintritts- und Wachstumsstrategien, M&A und kann auf eine langjährige Erfahrung im Operations-Umfeld zurückschauen. Dr. Alexander Timmer berät seit 2012 Automobilhersteller und -zulieferer im globalen Kontext. Er verfügt über ein fundiertes Expertenwissen in den Bereichen Portfolioplanung, Entwicklung und Produktion. Zu seinen weiteren fachlichen Schwerpunkten zählen unter anderem Digitalisierung und der Themenkomplex rund um die Elektromobilität.
Vor seinem Einstieg bei Berylls Strategy Advisors war er unter anderem für Booz & Company und PwC Strategy& als Mitglied der Geschäftsführung in Nordamerika, Asien und Europa tätig.
Im Anschluss an sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen und der Chalmers University in Göteborg promovierte er im Bereich der Fertigungstechnologien am Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen.

Christian Grimmelt

Christian Grimmelt (1985) ist seit Februar 2021 fester Bestandteil des Berylls by AlixPartners (ehemals Berylls Strategy Advisors) Teams. Zuvor hat er bereits umfangreiche Berufserfahrung in Topmanagementberatungen und in der Automobil-Zuliefererbranche gesammelt.

Während seiner Zeit bei dem weltweit größten Automobil-Zulieferer hat er den Aufbau einer Zentraleinheit zur Optimierung des weltweiten Logistik- und Produktionsnetzwerkes des Unternehmens vorangetrieben.

Christian Grimmelts Beratungsschwerpunkte sind die Themen Logistik- und Produktionsnetzwerkoptimierung, Einkauf und (digital) Operations inklusive Anlauf- und Turnaround-Management für OEMs und insbesondere Zulieferer.

Christian Grimmelt besitzt ein Diplom für Wirtschaftsingenieurwesen vom Karlsruher Institut für Technologie.