Private Equity

Private Equity in der Automobilindustrie – Welche Investmentansätze heute und in Zukunft interessant sind

München, Juni 2022

Private Equity der Automobilindustrie - welche Investmentansätze heute und in der Zukunft interessant sind

München, Juni 2022
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oher Wettbewerb durch strategische Investoren, wie OEMs und Zulieferer, und der Abzug von Banken aus der Automobilindustrie verhindern großflächige Wachstums- und Buyout-Investments durch Private-Equity-Investoren. Nur Turnaround-Investoren, die in Restrukturierungsfälle investieren, finden derzeit lukrative Private-Equity-Anlagemöglichkeiten in der Automobilindustrie. Eine neue Generation automobiler Unternehmen kann das in Zukunft aber ändern.

Selten war mehr Vermögen im Umlauf auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. Dabei ist Private Equity branchenübergreifend unverändert eine der lukrativsten Anlageklassen. Aktuell überträgt sich die Erfolgsgeschichte der Private-Equity-Branche allerdings nicht auf die Automobilindustrie. Das Interesse an Private-Equity-Investments in Automobilunternehmen liegt derzeit weit unter dem Branchendurchschnitt – Tendenz fallend. Das wirft Fragen auf: Wieso haben Private-Equity-Investoren aufgehört, in ihre einst geliebte Branche zu vertrauen und wohin steuern automobile Private Equity Investments in der Zukunft?

Automobilindustrie von turbulenten Jahren gezeichnet

Technologischer Wandel, neue Geschäftsmodelle und makroökonomische Trends stellen die Automobilindustrie auf den Kopf. Technologie- und Geschäftsmodelltrends führen zu einer Umverteilung der Profit Pools entlang der Wertschöpfungskette. Dadurch geraten die Gewinnspannen traditioneller Automobilunternehmen unter Druck und strategische Investoren sehen sich zur Portfoliorestrukturierung gezwungen, um im neuen Mobilitätszeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben. Darüber hinaus ist die Automobilindustrie aufgrund ihrer Abhängigkeit von hochkomplexen, globalen Lieferketten stärker als andere Branchen von Produktionsausfällen aufgrund von Kriegen, Pandemien und Rohstoffengpässen betroffen.

Mehr als drei Jahre niedriger Renditen haben zu gestiegenen Verschuldungsquoten und angespannten Liquiditätspositionen geführt. Kleine und mittelständische Zulieferer mussten ihre Nettofinanzverschuldung in den vergangenen Jahren um durchschnittlich über ein Drittel erhöhen. Sogar die Bonitäten großer Tier-1 Zulieferer wie Continental, Bosch, ZF und Schaeffler wurden herabgesetzt. Folglich limitieren Kreditgeber ihre Engagements in der Automobilindustrie, verfügbare Fremdkapitalvolumina sind zurückgegangen und die Zinssätze sind gestiegen. Traditionelle Banken schränken ihre Investitionsvolumina in der Automobilindustrie ein und bei alternativen Fremdkapitalquellen sieht es nicht viel besser aus. Debt-Funds können mit einem höheren Risikoprofil als Banken investieren und zum Teil auch unbesicherte Engagements eingehen. Hierfür benötigen sie jedoch eine gute Finanzplanung mit verlässlichen Cashflows. Die Debt-Funds sehen sich allerdings mit unsicheren Geschäftsplanungen konfrontiert und steigen, wenn überhaupt, nur zu hohen Konditionen ein. Asset-Based-Lenders gelten ohnehin als teuerste und folglich unbeliebteste Fremdkapitalquelle.

Berylls Insight
Private Equity in the automotive industry - are investors still interested?
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Autoren
Andreas Rauh

Executive Partner

Johannes Auch

Investment Analyst

Wachstums- und Buyout-Transaktionen nahezu unmöglich – Turnaround mit attraktiven Chancen

Aufgrund von Synergiepotenzialen und längerer Investitionshorizonte sind strategische Investoren bereit höhere Kaufpreise als Finanzinvestoren, sogenannte strategische Price-Premiums, zu zahlen. Neben dem ohnehin schon hohen Wettbewerb unter Finanzinvestoren führt diese zusätzliche Konkurrenz zu höheren Bewertungen, sodass Finanzinvestoren bei spannenden Wachstumsunternehmen nur selten zum Zug kommen. Das Wertschöpfungsmodell von Buyout-Fonds, Kaufpreisfinanzierung durch zusätzliche Verschuldung (Leverage) und Dividendenzahlungen, ist nicht mehr tragfähig. Die in anderen Branchen aufgrund besserer Fremdkapitalkonditionen erzielbaren Renditen übersteigen die Perspektiven in der Automobilindustrie bei weitem.

Carve-Outs, notleidende Nachfolgelösungen und Insolvenzen schaffen viele attraktive Möglichkeiten für Turnaround-Investoren. Strategische Investoren sind in Summe derzeit sehr aktiv auf dem automobilen Transaktionsmarkt. Risiko, nötige Zeit- und Managementkapazität schrecken sie jedoch von Turnaround-Unternehmen ab. Turnaround-Investoren sehen sich folglich begrenztem strategischem Wettbewerb und ausreichender Verfügbarkeit von Zielunternehmen mit vielversprechenden Wertschöpfungsansätzen gegenüber.

Das Überdenken der Organisationsstrukturen und deren Anpassung an ein langfristiges Umsatzniveau bereinigt Missmanagement und Ineffizienz aus der Vergangenheit. Durch den Transfer der über Jahrzehnte gefestigten Fertigungskompetenzen in nachhaltige Produktbereiche können die Investoren ihre Portfoliounternehmen neu positionieren und strategisch langfristig ausrichten. Add-on-Akquisitionen und von insolventen Konkurrenten übernommene Volumina schaffen Skaleneffekte und verbessern die Verhandlungsposition gegenüber Kunden und Lieferanten.

Derzeit ist die Automotive-Private-Equity-Branche nur für Turnaround-Investoren attraktiv – sofern sie über die nötigen Kompetenzen verfügen. Die konsequente Differenzierung zwischen attraktiven Zielunternehmen und einer notwendigen Marktbereinigung sowie die Fähigkeit, Unternehmen langfristig zu entwickeln, sind entscheidend für den Erfolg der Investitionen. Das Einbringen von Managementkapazitäten lässt Investoren operative Potenziale heben und die Kostenstruktur der Portfoliounternehmen verbessern. Industriekompetenz und ein verlässliches Netzwerk in der Automobilbranche und Turnaround-Community ermöglichen zielgerichtete und effiziente Restrukturierungsmaßnahmen und nachhaltige Beziehungen mit allen Stakeholdern.

Was hält die Zukunft für Private Equity Investments in der Automobilindustrie bereit?

Venture-Capital-Investoren sind bereits in erheblichem Umfang in Start-ups neuer Technologien und alternativer Geschäftsmodelle in den Bereichen Automobil und zunehmend Mobilität, wie Vehicle-as-a-Service oder Shared Mobility, investiert. Sobald diese Generation neuer Unternehmen eine höhere Marktdurchdringung erreicht und ihren operativen Cashflow ins Positive dreht, wird sie genau den Investitionskriterien von Wachstums- und Buyout-Investoren entsprechen. In dieser Hinsicht kann Venture Capital als Vorläufer von Private Equity angesehen werden.

Bei regulatorischer Sicherheit und verbesserter Markttransparenz werden Fremdkapitalgeber ihr Vertrauen zurückgewinnen und ihr Engagement in der Mobilitätsindustrie erhöhen – fremdfinanzierte Investitionsmodelle werden wieder lukrativ, Wachstums- und Buyout-Investoren kehren zurück.

Und was bleibt dann für Turnaround-Investoren? Die Automobilindustrie war schon immer sehr wettbewerbsintensiv und entwickelt sich ständig in rasantem Tempo weiter – es wird also keinen Mangel an Unternehmen geben, die auf der Strecke bleiben und externe Expertise sowie Kapital benötigen.

Über den Autor
Andreas Rauh

Andreas ist seit Januar 2020 als Mitgründer und Geschäftsführer bei Berylls Equity Partners tätig. Berylls Equity Partners investiert, als Beteiligungsgesellschaft der Berylls Gruppe, in Unternehmen der Mobilitätsindustrie, die sich in Sondersituationen befinden.

Andreas ist Experte in den Bereichen Private Equity, Mergers & Acquisitions und Unternehmensführung.

Nach zehn Jahren im Bereich Transaktionsberatung mit Schwerpunkt im Mittelstand wechselte Andreas im Jahr 2014 in den Beteiligungsbereich. Dort hat er seitdem in leitender Funktion eine zweistellige Anzahl an Firmenübernahmen und -verkäufen begleitet.

Andreas ist ausgebildeter Diplomkaufmann mit einem Abschluss von der Universität Trier und hält einen Master of Science in Business Abschluss der Handelshøyskolen BI.